Lösungen mit Methode

 

COACHING MIT LOKC®!

DIE Praxis-Ausbildung

LOKC® Practitioner

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Grundlagen des Lösungsorientierten Kurzzeitcoachings

Nicht jeder Mensch kann eislaufen oder Tango tanzen. Nicht jeder Mensch ist einfühlsam und kann gut zuhören. Natürlich fühlt sich auch nicht jeder zum Coachen berufen. Aber ich bin sicher, dass viel mehr Menschen, als die meisten Kollegen denken (oder fürchten), sich Coaching-Fähigkeiten aneignen und Methoden sinnvoll einsetzen können.

Es bedarf darüber hinaus einiger Grundsätze, die meiner Meinung nach jeder berücksichtigen sollte, der Menschen helfen möchte, die eigene Lösung zu finden, der also coachen und nicht beraten oder gar manipulieren will. Hier deshalb die zehn Prinzipien zum Kurzzeit Coachen, die ich für unabdingbar halte:

1. Eine Coaching-Vereinbarung treffen

Wenn Sie jemandem anbieten, sich mit ihm zusammenzusetzen und nach einer Lösung zu suchen, vereinbaren Sie vorher genau, was der andere von Ihnen erwartet. Manchmal lässt uns der Gedanke, helfen zu können, über das Ziel hinausschießen. Ich erinnere mich an die Anfänge meiner Arbeit als Coach. Eine Freundin mit Liebeskummer, die mir am Telefon ihr Herz ausgeschüttet hatte, musste mich anschließend erst einmal stoppen: »Ich wollte dir das alles nur erzählen, ich wollte nicht, dass du mich gleich coachst.« Dabei hatte ich es doch nur gut gemeint.

Also klären Sie kurz ab, was Ihr Bruder, Ihre Freundin, Ihr Mitarbeiter, Ihr Gemeindemitglied oder wer immer Ihre Hilfe in Anspruch nehmen möchte, von Ihnen erwartet. Möchte er/sie nur ein freundliches Zuhören, in den Arm genommen werden, sich ausheulen oder schimpfen? Vielleicht möchte jemand einfach nur Ballast abwerfen? Oder möchte er/sie wirklich mit Ihnen zusammen an seinem/ihrem Problem oder Wunsch »arbeiten«?

Bieten Sie gern an, mit einer der im Buch "So coache ich" vorgestellten Kurzzeitcoaching-Methoden zu arbeiten. Aber bitte drängen Sie sie nicht auf. Falscher Eifer schadet nur. Die anderen sind keine »Versuchskaninchen« für Ihre Coaching-Begeisterung. Und Sie erinnern sich: Nur weil Sie ein Buch gelesen haben, sind Sie noch kein Coach!

Entschließt sich der andere Mensch dazu, dass Sie ihn auf der Suche nach einer Lösung begleiten dürfen, dann schließen Sie einen Mini-Vertrag mit ihm ab. Darin sollten Sie zuerst einmal festhalten, wofür genau der/die andere eine Lösung braucht. Ich nenne das ganz schlicht »Coaching-Ziel« und bitte meine Coachees, möglichst genau zu benennen, wofür sie eine Lösung brauchen, was sie in den zwei oder vier Stunden Coaching erreichen wollen. Zum Beispiel: »Ich brauche Klarheit, für welche Option ich mich beruflich entscheiden soll.«

Zur weiteren Vorbereitung des Coachens können Sie im Vorfeld mit Ihrem Gesprächspartner klären:

Welche Überlegungen sind bereits vorhanden?

Welche Möglichkeiten gibt es?

Welche Pros, welche Kontras hat der/die andere im Kopf?

Was hat er/sie schon probiert?

Warum hat er/sie noch nicht gehandelt?

Wer könnte ihm/ihr bei der Umsetzung von Plänen helfen?

Was will er/sie mit Ihnen ganz sicher nicht besprechen? (Tabus müssen Sie akzeptieren.)

Ich selbst führe in meinen Einzelcoachings ein Protokoll. Das heißt, während der Coaching-Sitzung kann mein Klient träumen, erzählen, spinnen – und ich schreibe auf, fasse zusammen, stelle Verbindungen zwischen dem Gesagten her. Meistens protokolliere ich stichwortartig und visualisiere, aber manchmal schreibe ich auch wichtige Sätze im Wortlaut nieder. Sätze, die der andere so noch nie ausgesprochen hatte und die entscheidend für das weitere Handeln sind. Das hält mich übrigens auch von zu viel reden ab. Aber dazu kommen wir gleich noch näher.

Das schriftliche Protokoll hilft im Nachhinein dem Klienten nachzuvollziehen, wie er zu Erkenntnissen oder Entscheidungen gekommen ist. Es hält wichtige Meilensteine fest, wie: »Ich will mehr Freude im Leben«. Oder: »5 Gründe, warum ich nach Hamburg ziehen sollte«. Gedanken sind flüchtig, Geschriebenes begleitet sie auf dem Weg zur Umsetzung.

Wenn ich ehemaligen Coaching-Klienten begegne, höre ich sehr oft: »Gerade neulich habe ich nochmal unser Coaching-Protokoll in der Hand gehabt. Ich habe mich gewundert, dass ich damals schon gesagt habe, dass ich …« Oder: »Ich bin erstaunt, wie viel ich von dem, was wir damals besprochen haben, schon umgesetzt habe.« Oder: »Ich habe mich vor drei Monaten selbstständig gemacht. Als ich mein neues Büro eingerichtet habe, ist mir das Coaching-Protokoll von vor zwei Jahren in die Hände gefallen. Damals hatte ich schon genau skizziert, wie ich mir die Selbstständigkeit vorstelle. Und so ist es eingetroffen.«

Meine Empfehlung an Sie heißt also: Schreiben Sie wenigstens stichwortartig mit, was im Coaching gesagt wird. Notieren Sie wichtige Gedanken. Manchmal ist ein Coaching-Protokoll schon der Grundstock eines Businessplans. Was du schwarz auf weiß nach Hause tragen kannst …

2. Coachinggespräche strukturieren

In der Kürze liegt die Würze - das bedeutet für den Coach, auf die Zeit zu achten und die Uhr im Auge zu behalten, d.h. es liegt in deiner Verantwortung, das Gespräch zu strukturieren und dafür zu sorgen, dass in der vorgesehenen Coachingzeit tragfähige Lösungen erarbeitet werden können. Der begrenzte zeitliche Rahmen meiner Coachingmethode unterstützt übrigens die Konzentration und Intuition von Coach und Klient:in.

Die Betonung liegt auf Können, hier bist du als Dienstleister in der Verantwortung. Und das kann bedeuten:

allzu blumige Ausführungen des Klienten zu unterbrechen

Dinge durch Nachfragen auf den Punkt bringen

Ausflüge in die Kindheit wie „das hat meine Mutter auch immer gesagt“ zu stoppen, wenn sie offensichtlich nicht zielführend für die angestrebte Veränderung sind.

auf die vereinbarten Coachingziele und den engen zeitlichen Rahmen zu verweisen.

Natürlich kann es auch im lösungsorientierten Kurzzeitcoaching vorkommen, dass im Gespräch plötzlich ein wichtiges Thema auftaucht, das im Vorgespräch oder im Fragebogen noch keine Rolle gespielt hat. Vielleicht ist es sogar viel wichtiger als der ursprüngliche Auftrag. Dann ist es an dir, den Klienten entscheiden zu lassen: "Was ist dir jetzt wichtiger, dass wir beim Thema "Nein" bleiben oder dass wir den neuen Aspekt aufgreifen und eine Lösung dafür suchen?"

Das alles bedeutet nicht, den Klienten zu drängen und zu schikanieren. Natürlich muss er oder sie zu Wort kommen, natürlich darf es Gedankenausflüge geben, natürlich darf er seine Sätze „selbst zu Ende bringen“. In meiner Coaching-Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, freundlich und klar auf den Zeitaspekt hinzuweisen: „Das ist offensichtlich ein wichtiger Punkt für Sie, sollen wir uns zehn Minuten Zeit nehmen, um ihn zu beleuchten?“ Mit diesem Hinweis auf die Zeit übernimmt der Klient wieder die Entscheidung: Ja, das Thema ist es ihm wert, oder er erkennt, nein, er möchte lieber den ursprünglichen Ansatz weiterverfolgen.

Sicherlich wird ein Coach nie wie mancher Therapeut nach Ablauf der Zeit sagen: „Das war’s, beim nächsten Mal machen wir weiter“. Aber es ist schon angebracht, das Coachinggespräch in der vereinbarten Zeit zu beenden (plus 15 Minuten finde ich persönlich okay.) Deshalb möglichst etwa eine halbe Stunde vor Schluss fragen: „Sind Sie einer Lösung näher gekommen? Sehen Sie schon, wie Sie die Sache angehen werden?“

Und 15 Minuten vor Schluss noch einmal auf die To-do-Liste schauen: „Reicht das alles, damit Sie handeln können? Fehlt noch etwas?“ Dann gibt es noch einmal die Möglichkeit, Aspekte aufzugreifen und Strategien zu entwickeln.

3. Nicht auf den ersten Blick werten

Geht das denn überhaupt? Ja, das kann man lernen. Sie sehen eine Frau in einer roten Bluse, einem blauen Rock und grüner Strumpfhose. Sie können entweder denken: »Oh, mein Gott, was für eine schreckliche Kombination!«, oder Sie nehmen einfach wahr, was Sie sehen: »Rote Bluse, blauer Rock, grüne Strumpfhose.«

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich wesentlich mehr in Menschen sehe, seit ich meine Wertung ausschalten kann. Gelernt habe ich das Anfang der 1990er-Jahre von John Hormann, Er war damals gerade als Manager beim IT- und Beratungsunternehmen IBM ausgestiegen, weil er nach dem Sinn des Lebens suchte, und arbeitete für die Steinbeis-Stiftung. Für die Zeitschrift Cosmopolitan machte ich mit ihm ein Interview zu seinem damals neu erschienenen Buch Future Work. Aus dem geplanten einstündigen Interview wurde ein vierstündiges Gespräch, das ich nie vergessen werde.

(Viele entscheidende Impulse, Trainerin und Coach zu werden, verdanke ich Begegnungen als Journalistin bei verschiedenen Zeitschriften mit eindrucksvollen Menschen aus Wissenschaft und Wirtschaft – vielleicht war das meine Art der Ausbildung, denn »richtige« Coaching-Ausbildungen hat es meines Wissens vor 30 Jahren noch nicht gegeben.)

John Hormann erzählte mir damals von der Kunst des Nichtwertens. Ich war sehr skeptisch. Aber er spornte mich an: »Das können Sie lernen.« Und ich begann es zu lernen. Mühsam, mit vielen Rückfällen. Nein, nicht »Was guckt der komisch?«, sondern einfach hinschauen und wahrnehmen. Nicht »Was für alberne Ohrringe«, sondern einfach »Aha, interessante Ohrringe«. Nicht mehr »Wie steht der denn da rum!?«, sondern hingucken: »Was siehst du?« Ich wurde damals für viele Freundinnen uninteressant, weil ich bei dem beliebten Spiel »Guck mal, wie die aussieht!« nicht mehr mitmachen wollte.

Ich glaube daran, dass das Leben uns in wichtigen Momenten die »richtigen« Menschen schickt. Menschen, die eine Herausforderung für uns sind oder die uns an unsere Grenzen bringen. Menschen, die uns einen Spiegel vorhalten oder den Weg in eine andere Richtung weisen. John Hormann war einer dieser Menschen für mich. Ich bin sehr dankbar dafür.

Ich glaube, dass ich durch diese jahrelange Übung im Nichtwerten mehr in Menschen sehe, als sie auf den ersten Blick darstellen. Und dies ist eine entscheidende Voraussetzung für die Potenzialentwicklung bei Menschen.

Auch im Coaching weitet Nichtwerten den Blick auf die Persönlichkeit hinter dem Aüßeren. Der weitgehende Verzicht auf Wertung fördert im Übrigen ganz allgemein die Menschenliebe, weil es die Strenge aus dem Blick nimmt und die Schönheit des anderen Menschen durchscheinen lässt. Wenn Sie sich darin trainieren, nicht zu werten, erkennen sie Seiten an Menschen, die mit der einschlägigen Vorurteilsbrille verborgen geblieben wären. Ein wunderbarer Nebeneffekt: Die Neugier auf andere Menschen steigt. Und damit die Zahl der interessanten Menschen.

Probieren Sie es selbst aus. Sie werden die gleichen Erfahrungen machen.

Erste Übung: Sehen Sie sich einen Tag lang aufmerksam irgendwelche Menschen an – auf der Straße, in der Bahn, in einem Café. Schauen Sie hin und versuchen Sie, das reflexhafte Werten, das in uns allen steckt, in eine nüchterne Beobachtung zu verwandeln: »Lange Haare, Vollbart, nachlässig gekleidet. Der schaut ja aus wie ein Waldschrat.« – Stopp! Nur hinschauen: »Blaue Augen, eine warme Stimme. Er lächelt. Aha.« Ohne den scharfen Wertungsfilter entdecken wir viel mehr an einem Menschen. Genau das macht Coachen so spannend. Nicht wie wir einen Menschen beurteilen, ist wichtig, sondern wie wir Menschen zu Chancen verhelfen, zählt.

4. Fragen statt sagen

Fragen ist die beste Vorbeugung gegen Besserwisserei und Pauschalurteile. Wenn Sie Fragen stellen, sind Sie im Coaching oft auf dem richtigen Weg. Wenn Sie Fragen stellen, geben Sie dem anderen die Möglichkeit, nachzudenken und seine Gedanken zu formulieren. Sie geben ihm die Möglichkeit, wirre Gedanken zu ganzen Sätzen zu formen und die Struktur der Gedanken zu erkennen. Was vorher wirr im Kopf herumschwirrte, ordnet sich durch das Sprechen zu Erkenntnissen.

Jeder kennt das: Wenn man etwas beschreiben soll, bekommt man ein besseres Bild von der Situation. Wenn man über seine Gefühle sprechen soll, werden einem diese oft erst bewusst. Wenn Sie über die Bedeutung anderer Menschen für Ihr Problem sprechen, werden Ihnen vielleicht Interessenskonflikte klar.

Also fragen, fragen, fragen - und auf die Antworten hören. In den Antworten liegt oft der Schlüssel zur Lösung.

Ich habe hier einige hilfreiche Fragen zusammengestellt, die sich im Kurzcoaching bewährt haben, weil sie Sie oder Ihren Gesprächspartner zum Nachdenken und Reden bringen:

Was möchtest du am liebsten tun?

Was war dein erster Gedanke dazu?

Was ist dein stärkstes Argument?

Heißt das, du hättest lieber ...?

Was hat der/die andere davon?

Welches Aber hast du noch im Kopf?

Was wäre die einfachste Lösung?

Wer kann dir dabei helfen?

Was hält dich davon ab?

Was könnte schlimmstenfalls passieren?

Und im besten Fall?

Wann wirst du was tun?

Was muss sich ändern, damit du ...?

Willst du es wirklich?

Was würde passieren, wenn ...?

Was bist du bereit zu riskieren?

5. Stringent auf die Stärken achten

Es gibt einige Verbote im Coaching, die man unbedingt kennen sollte: Dazu gehört vor allem das Herumreiten auf Schwächen. Absolut kontraproduktiv sind Bemerkungen wie: »Das habe ich dir doch schon vor Monaten gesagt ...«, »Du bist aber auch immer so emotional« oder: »Hättest du doch rechtzeitig Bescheid gesagt ...«. Vorwürfe sind tabu, Schuldzuweisungen sind tabu. Eigentlich ein guter Gedanke für alle Gespräche mit Ihren Kindern, wenn Sie welche haben - ganz normale Kinder, die sich manchmal nicht die Hände waschen, die Hausaufgaben nicht sofort machen. Daran kann man sie erinnern. Aber man sollte nicht darauf beharren - also kein »Nie machst du ...«. Warum sind solche Bemerkungen »no-go´s«? Sie führen in die Vergangenheit, und damit ist niemandem geholfen. Wie sagte man in meiner Familie immer: "Wenn meine Oma Räder hätte, wäre sie ein Omnibus".

Die Richtung im Coaching geht ganz klar nach vorne. Und der Fokus liegt auf den Stärken - und nie und nimmer auf den Schwächen. »Okay, heute hast du es vielleicht noch nicht geschafft. Hör auf, dich deswegen ständig zu beschuldigen. Jetzt schauen wir mal, was sich ändern müsste, damit du deine Wünsche durchsetzen kannst.« Also kein stundenlanges Wundenlecken, keine schmerzhafte Suche nach Schuldigen: »Die anderen sind alle so gemein zu mir.« Schluss damit.

Die wichtigste zielführende Frage ist: Wie kannst du deine Stärken einsetzen, um zu einer Lösung zu kommen? In meinen Vorträgen sage ich immer etwas flapsig: »Der einzige Mensch, den man ändern kann, ist der, den man heute Morgen gewaschen und gekämmt, rasiert und geschminkt hat.«

Das stimmt!

Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Gesprächspartner aus der Selbstverachtung und Selbstbeschuldigung herauszuführen, wenn Sie ihm darüber hinaus helfen, die Schuld nicht immer nur bei anderen zu suchen, wenn es Ihnen überhaupt gelingt, das Thema »Schuld« zu beenden - dann eröffnen Sie ihm phantastische Perspektiven: Der dunkle Himmel klart auf, die Regenschauer lassen nach, am Horizont zeigt sich ein erster heller Streifen, die ersten Sonnenstrahlen erhellen die Welt. Es riecht nach Hoffnung.

Und dann ist die Möglichkeit da, dass der Hilfesuchende zu einer Lösung kommt, zu seiner Lösung. Und das ist wichtig.

6. Achtsam zuhören

Zuhören, hinhören, aktiv zuhören - wie auch immer Sie es nennen wollen: Auch das ist eine Grundvoraussetzung des Coachings. Es bedeutet, sich zurücknehmen zu können und sich ganz auf den anderen zu konzentrieren. Verbunden mit einer Art Selbstvergessenheit ermöglicht es, im Gespräch mit dem anderen die wichtigen Dinge zu hören und die Zwischentöne wahrzunehmen.

Ich mag das Wort Selbstvergessenheit. Es bedeutet für den Coach: Es geht heute nicht um mich. Der andere bekommt meine ganze Aufmerksamkeit, meine ganze Intuition, meine ganze Erfahrung, Kreativität und Liebe. Ich muss hier nicht beweisen, wie großartig ich bin. Ich stelle mich für die Dauer des Coachings ganz in den Dienst des anderen. Was er denkt, ist wichtig, was er entscheidet, darauf kommt es an. Deshalb erlebe ich viele Coachings als wahnsinnig intensiv, jede Minute hellwach und aufmerksam, alle Sinne auf den anderen gerichtet, in ständigem Kontakt, in großer Intimität, sich gegenseitig beflügelnd. Oft kommen mein Klient/meine Klientin und ich wie aus einer Trance aus dem Coaching und verabschieden uns wie gute Freunde.

Wer coachen will, für den heißt das: Coachen heißt nicht alleine zu führen, sondern zu dienen. Im Mittelpunkt steht das, was der andere braucht. Sie können ihm helfen, seine Lösungen zu finden. Mehr nicht (und das ist bereits viel!). Stellen Sie sich ganz in den Dienst der Sache. Hören Sie aufmerksam zu und bleiben Sie bei Ihrem Gegenüber. Respektieren Sie seine Gedanken und Gefühle. Mit gezielten Fragen und großer Aufmerksamkeit für die Antworten können Sie dem anderen helfen, »sich selbst auf die Spur zu kommen«.

7. Wahrnehmen was ist

Zuhören ist das eine, hinschauen das andere. Menschen können irgendwo hingucken und nichts sehen. Beim Coachen geht es auch darum, seine visuelle Wahrnehmung zu schärfen. Wie guckt die andere, während sie etwas erzählt? Wie reagiert sie auf Fragen? An welcher Stelle stockt sie? Wann verändert sich die Stimme? Ich sehe die »Aber« im Gesicht und in der Körperhaltung meiner Klienten, ich sehe sie mit meinen »Coaching-Augen«, auch wenn sie gar nicht ausgesprochen wurden.

Ohne diese wichtigen Informationen ginge das Gespräch in eine andere Richtung. Und andersherum funktioniert es genauso. Wenn Sie wissen wollen, ob Sie im Coaching-Gespräch auf dem richtigen Weg sind, achten Sie auf die kleinen Zeichen: Wann zuckt es im Gesicht Ihres Gesprächspartners, wann bekommen seine/ihre Augen Glanz? Wann strafft sich der Körper?

Alfons Schön, der Regisseur meiner TV-Sendung, hat mir nach den ersten Aufzeichnungen erzählt, ihm sei aufgefallen, dass meine Gäste im Studio wie »gebannt« mit mir arbeiten würden. Sie würden direkt vergessen, dass sie in einem Studio stehen, Kameras laufen und andere Gäste (und Hunderttausende von Zuschauern) zuhören. Ich glaube, das geht nur, weil auch ich mich ganz auf die Situation und auf meine Gäste einlasse, Kameras hin oder her. Um das zu unterstützen, hat übrigens der Regisseur eine kabellose, tragbare Kamera eingeplant, die mich verfolgt, egal wie ich mich bewege und wie ich stehe. Damit war ich noch viel freier, spontan zu handeln und mit der Aufmerksamkeit ganz bei den Coachees zu sein.

Sobald ich überlegen würde, ob ich vorteilhaft dastehe, ob mich die richtige Kamera einfangen kann, wie das wohl hinterher aussehen würde, verlöre ich leicht den Kontakt zu dem Menschen, mit dem ich eine Lösung finden will. Das ist übrigens gar nicht so einfach, wenn Sie wissen, dass Hunderttausende zuschauen und ja auch irgendwie unterhalten werden möchten.

Wenn Sie coachen wollen, müssen Sie also Ihre Fähigkeit entwickeln, sich ganz auf Ihr Gegenüber konzentrieren zu können. Arbeiten Sie daran, im Kopf alles andere beiseiteräumen zu können – die Steuererklärung, das undichte Dach, die Sechs in Mathe Ihres Kindes. Dafür eignet sich die »Stopp«-Methode hervorragend:

Die Gedanken schweifen ab? Holen Sie ein gedankliches Stopp-Schild hervor. Halt, zurück zum anderen.

Sie denken schneller, als der andere reden kann? Stopp.

Sie haben schon eine Lösung im Kopf, während der andere noch mühsam versucht, die Situation zu beschreiben? Stopp. (Idee kurz aufschreiben, weglegen für später.)

Und die ganze Aufmerksamkeit wieder ins Hier und Jetzt.

8. Spüren was fehlt

Coaching ist zielorientiert, aber ergebnisoffen. Es geht nicht darum, nach einer bestimmten Zeit die fertige Lösung zu haben. Setzen Sie auf Impulse, auf die Möglichkeit, Denktüren zu öffnen. Aber arbeiten Sie nicht auf eine schnelle Lösung hin. Mehr noch: Geben Sie sich nicht mit schnellen Lösungen zufrieden. Wenn wir anderen Menschen helfen wollen, geraten wir leicht in die Gefahr, »Abschlüsse« zu machen: »Okay, das klingt gut, das gefällt mir, also machst du das«. Dahinter steckt der Gedanke: So, das ist gut, ich bin zufrieden, jetzt soll der andere handeln.

Aus 30 Jahren Erfahrung weiß ich: Manchmal wollen Menschen, die sich einem Coach anvertrauen, genau das - das erste oder letzte Puzzlestück zu einer klaren Entscheidung. Manchmal wundere ich mich sogar, warum Menschen überhaupt zu mir ins Coaching kommen, obwohl sie eigentlich genau wissen, was sie tun wollen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Klienten quasi nur einen »Expertenstempel« wollen: »Ja, mach das!«

Und dann gibt es andere, die kommen eigentlich schon mit klaren Vorstellungen und ich frage mich, warum machen die das nicht einfach, wenn die Lösung schon so klar ist. Und dann stellt sich heraus: Da ist noch eine tiefere Ebene, die nicht die praktische Lösung braucht, sondern die Möglichkeit zu sprechen - über sich selbst.

Denn funktionieren kann dieser Mensch wahrscheinlich schon sehr gut. Nach außen hin ist er oder sie oft sehr erfolgreich: »Mein Job, mein Haus, meine Familie ...« Im Coaching braucht er frische Luft zum Atmen, er braucht den Abbau von Druck, das Freilegen von Sehnsüchten, das Zeigen von Ängsten, die Erlaubnis zum Spinnen, den Mut, das Unmögliche zu denken. Und er braucht die Möglichkeit, alles in Frage zu stellen, was bisher als selbstverständlich galt.

Was in einem Fernsehstudio nicht möglich ist, zumindest wenn man nicht auf Voyeurismus setzt, kann ein Coach hinter verschlossener Tür bieten: Raum, sich zu entfalten, loszulassen, fließen zu lassen. Raum, ganz klein und ganz groß sein zu dürfen. Die Erlaubnis zuzugeben, dass man nicht mehr weiterweiß. Und den weiten Horizont, um Träume zu formulieren, für die uns die Familie, die Vorgesetzten, ach, die ganze Welt auslachen würde.

Ich erinnere mich an eine Frau, die ins Coaching kam, um beruflich noch erfolgreicher zu werden. Sie ging mit dem Gedanken nach Hause, wie sie ihre Ehe retten könnte. Im Verlauf des Coachings kamen wir plötzlich durch einen einzigen Impuls auf das wirklich drängende Thema, das weder ihr noch mir vorher bewusst war. Deshalb noch einmal eindringlich formuliert: Vorsicht vor zu schnellen Lösungen. Vielleicht verdecken sie nur, was eigentlich zum Vorschein kommen sollte.

9. Ideen anbieten

Ziel jedes Coachings ist es, dass der Klient seine eigenen Lösungen findet. Ziel des „Lösungsorientierten Kurzzeit Coachings“ ist es, dass der Klient in möglichst kurzer Zeit seine eigene Lösung findet. Eine gute Möglichkeit, „Abkürzungen“ auf dem Weg zum Ziel zu finden, ist das Einbringen eigener Ideen durch den Coach. Dies geschieht am besten durch Fragen wie „Haben Sie schon einmal daran gedacht, ...?“ oder „Was wäre, wenn Sie einmal in der Woche ...?“ oder „Wie würde Ihre Kollegin reagieren, wenn Sie ihr ...?“.

Der Erfolg dieses Prinzips beruht auf der Erfahrung, dass Menschen in der Regel für andere klüger sind als für sich selbst. Das heißt, mit etwas Abstand zu einer problematischen Situation kommen einem leichter Lösungsideen.

Ganz wichtig beim Einbringen der Erfahrung und Kreativität des Coaches ist die Einhaltung der „Ratgebergrenze“. Eigene Ideen dürfen nur als Anregung, als „verrückte Idee“, als „Ich denke gerade, was wäre, wenn Sie auch mal...“ eingebracht werden. Nur in dieser Unverbindlichkeit kann der Klient entscheiden, ob er den Impuls aufgreift oder nicht. Die Erfahrung zeigt, dass Ideen so wirklich nur als solche wahrgenommen werden und der Klient sich nicht unter Druck gesetzt fühlt.

Damit der Coach den Klienten nicht mit Ideen „überfällt“, hat es sich bewährt, sich zu Beginn sehr zurückzuhalten und erst im Laufe des Coachings mit den eigenen Assoziationen herauszurücken. Wenn die eigene „geniale“ Idee einen vom Zuhören abhält, sollte man sie kurz notieren:  „Entschuldigung, ich muss noch schnell etwas aufschreiben, was wir später brauchen könnten“. Wenn die Idee, die sie selbst für großartig hält, nicht angenommen wird, ist das ein sicheres Zeichen: Das war meine Idee, die passt zu mir, aber nicht zu meinem Kunden. Weiter arbeiten.

 

10. Die eigene Beschränktheit erkennen

Jetzt kommt eine ganz besondere Gabe ins Spiel: die eigene Begrenztheit zu erkennen, aber sie nicht zum Maßstab zu machen.

Stellen Sie sich vor, Ihr Freund braucht Ihr Ohr, weil er einen kühnen Plan hat. Sie halten diesen Plan für illusorisch.

So geht es mir manchmal. Dann höre ich in Coachings oder Seminaren von Träumen, die ich selbst für unerreichbar halte. Wie schnell findet man tausend Gründe, die dagegen sprechen. Klienten können einem etwas anderes beibringen.

Nur weil man sich etwas nicht vorstellen kann, heißt das nicht, dass es unmöglich ist. Nur weil man andere Erfahrungen gemacht hat, muss das andere nicht scheitern. Nur weil Sie sich den Erfolg nicht vorstellen können, muss der andere nicht verrückt sein.

Meine Erkenntnis für alle, die coachen: Wer sind Sie, dass Sie die Träume der Menschen zerstören, die Sie coachen? Woher wissen Sie, was geht und was nicht? Auch noch so viel Erfahrung sollte nicht dazu verleiten, ein Urteil zu fällen - Daumen hoch oder Daumen runter. (Das unterscheidet Coaching übrigens von reiner Beratung.) Was Sie aber tun können, ist, immer wieder nachzufragen und zum Nachdenken anzuregen:

»Wissen Sie, ob jemand für dieses Produkt bezahlen würde?« Wenn nicht: »Wie finden Sie heraus, ob jemand dafür bezahlen würde?« »Was ist der erste Schritt?«

Oder: »Gibt es in Ihrem Unternehmen bereits eine Führungskraft, die nur drei Tage in der Woche arbeitet?« Wenn nicht: »Warum glauben Sie, dass es möglich ist?« »Welche Strategie brauchen Sie dafür?«

Oder: »Interessant, dass Sie Bundeskanzlerin werden wollen. Wissen Sie schon, wie Sie das schaffen wollen?« Wenn nicht: »Wie wird man Bundeskanzlerin?« »Welche Schritte haben Sie in diese Richtung schon gemacht?«

Zu viel Erfahrung im Wirtschaftsleben oder im Leben allgemein droht manchmal in Engstirnigkeit umzuschlagen. Das zu verhindern, ist ein ständiges Bemühen. So wichtig also Lebenserfahrung für den Coach ist, so wichtig ist es manchmal auch, den Mund zu halten. Das heißt nicht, Menschen in realitätsfernen Spinnereien zu bestärken: »Natürlich werden Sie einen Bestseller schreiben!« Es heißt aber auch nicht, dass das Damoklesschwert der Unmöglichkeit über uns schwebt. Aber wir können helfen, die Chancen nüchtern abzuwägen.

Durch viele Coachings bin ich ein bisschen erfahrener geworden, was meine Meinung angeht. Nein, ich liege nicht immer richtig. Meine Konsequenz daraus: Seitdem lasse ich mich gerne überraschen.

Und ich möchte Sie noch für eine weitere Einschränkung sensibilisieren: Wenn man kein Therapeut ist wie ich, muss man seine Grenzen rechtzeitig erkennen. Ich habe es schon einmal geschrieben, aber man kann es nicht oft genug sagen: Coachen ist nicht therapieren. Was kann man tun, um nicht in die Therapiefalle zu tappen? Vor allem darauf achten, nicht zu psychologisieren. Das passiert in unserer Gesellschaft viel zu oft. Wie schnell fallen Bemerkungen wie: »Die hat ein Trauma«. Oder: »Das liegt bestimmt an seiner schweren Kindheit.« Oder: »Der hat einen schlimmen Burnout.«

Im Coaching, insbesondere im Kurzzeit-Coaching, geht es nicht darum, irgendwelche psychischen Ursachen für irgendwelche Verhaltensweisen zu entschlüsseln. Lassen Sie es einfach sein. Dafür sind Sie kein Experte (es sei denn, Sie sind dafür ausgebildet). Und der Stempel, den Sie jemandem aufdrücken, wie er sich fühlt, kann fatal sein. Coachen heißt zuhören, Lösungen finden, nach vorne schauen, dem Coachee helfen, konkrete Handlungsentscheidungen zu treffen. Das ist alles.